Das rollende Klassenzimmer

Die MOZ hat es ganz groß angekündigt: Ortwin Czarnowski ist mit Heilbronner Schülern des Katholischen Freien Bildungszentrums auf dem Weg nach   Tempelberg, seinem Geburtsort. Seit vielen Jahren ist Ortwin für die Tempelberger ein Begriff, nicht nur für die älteren, mit denen er durch eine gemeinsame Kindheit verbunden ist.

Er war 1960 als junger Mann in den Westen gegangen, Lehrer geworden. Als Radrenn-fahrer startete er bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko für die Bundesrepublik Deutschland.

Nach der Wende intensivierte Ortwin seine Kontakte zum Ort seiner Kindheit, frischte alte Bekanntschaften auf und fügte neue hinzu, praktizierte die deutsche Einheit.  Seine Radsportbegeisterung ließ sich damit sehr gut verbinden.

Immer fand er Wege, sich für seinen Heimatort zu engagieren. Im Jahre 2007 unter-stützte er die Bemühungen der Tempelberger zur Sanierung des Kirchturmes mit einer Benefizradwanderung. Seine Heilbronner Radsportkameraden und der Freundeskreis ehemaliger Tempelberger spendeten tausende Euro und machten es so möglich, dass die Kirchenglocken wieder geläutet werden konnten.

Als pensionierter Lehrer machte er es sich zur Aufgabe, den Schülern seiner ehemaligen Arbeitsstätte die frühere Heimat Brandenburg näher zu bringen. Einmal Lehrer – immer Lehrer! Und was lag für einen Radsportler näher, als per Fahrrad auf Entdeckung zu gehen? So organisierte Ortwin das „rollende Klassenzimmer“. Der vielfache Wert sportlicher Aktivität an frischer Luft durch sommerliche Landschaft und Ortwins persönliches Engagement sorgten stets für rege Beteiligung. In Etappen von 80 und mehr Kilometern radelten die Schüler vom schwäbischen Heilbronn bis in die Landeshauptstadt Berlin, meist mit einem Abstecher ins brandenburgische Tempelberg verbunden.

Vor wenigen Tagen ist Ortwin Czarnowski mit seinem „rollenden Klassenzimmer“ zum vierten Mal auf Reisen gegangen. Gleich 2 Jubiläen haben das diesjährige Motto geliefert: 30 Jahre Deutsche Einheit und 75 Jahre Ende des Zweiten Weltkrieges.

Der Bus ist schon vor 14.00 Uhr in Tempelberg eingetroffen. Die 40 Schüler und ihre Begleiter – der jüngste Radsportler ist 10 Jahre alt – sind von Ortwins ortsansässigen Bekannten herzlich begrüßt worden. Erst vor wenigen Tagen ist Ortwin 80 Jahre alt geworden, wozu wir ihm nachträglich gratuliert haben. Dass er auf den Ort seiner Kindheit stolz ist, merkt man ihm an. Und so hat er sich sehr gefreut über unser Geschenk an die Heilbronner Schüler, die dreiteilige Tempelberg-Chronik.

Bei der anschließenden Andacht in der Kirche hat Ortwin den Schülern seine bewegenden persönlichen Erlebnissen am Ende des Zweiten Weltkrieges   geschildert.

Ich bin sicher: Auf der Rückfahrt haben die Schüler über vieles nachzudenken.

Christel Fielauf

Ortsvorsteherin Tempelberg

Fotos: Margrit Tschanz

August 2020