Mit Kartoffelfesten ins 21. Jahrhundert

Tempelberg im Lebuser Land

Mit Kartoffelfesten ins 21. Jahrhundert

 

Der gesellschaftliche Umbruch hatte in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts zur völligen Auflösung der dörflichen Strukturen geführt: die Tempelberger LPG (Tierzucht) war in Liquidation gegangen. Mit der Schließung von Konsumverkaufstelle, Konsumgaststätte, Poststelle und Kindergarten brachen die letzten örtlichen Kommunikationspunkte weg. Neu gegründete Privatunternehmen nutzten zwar die landwirtschaftlichen Flächen, beschäftigten aber nur wenige Arbeitskräfte. Arbeitslosigkeit griff um sich. Für die kleinen Dörfer sah man kaum eine Perspektive.

Doch damit wollten wir uns nicht abfinden. Ideen waren gefragt. Mit Unterstützung des neu strukturierten und zentralisierten Amtes Steinhöfel fand 1993 wieder ein Dorf- und Kinderfest statt. 1994 feierten wir unter Rückbesinnung auf unsere Geschichte den 750. Jahrestag der Ortsgründung. Wir erinnerten uns an unsere kulturellen Fähigkeiten und Interessen, bildeten eine Instrumentalgruppe und aktivierten den Chor. Eine Linedancegruppe und die Tanzgruppe Jugeta (Jung Gebliebene Tanzen) wurden ins Leben gerufen. Angelsportverein und Freiwillige Feuerwehr erhielten Zulauf. Die nun wieder jährlich stattfindenden Dorffeste sollten vor allem dem dörflichen Zusammenhalt und der Selbstfindung dienen.

Im Mai 1999 wurde der Förderverein Pro Tempelberg e.V. gegründet. Er schrieb sich die Förderung von Kunst und Kultur und die Wahrung ländlicher Traditionen auf die Fahne. Mitglieder des Vereins hatten die Idee, dem „großen“ Dorffest im Sommer ein zweites „kleines“, vom Verein organisiertes Fest folgen zu lassen. Das Kartoffelfest wurde aus der Taufe gehoben. Es sollte mit eigenen Kräften und wenig finanziellem Aufwand gestaltet werden. Jung und Alt konnte sich an der Vorbereitung und Durchführung beteiligen. Die verschiedensten Kartoffelgerichte sollten frisch zubereitet angeboten werden. Man freute sich auf eine Gelegenheit, im Dorf zusammenzukommen und wieder einmal miteinander reden zu können.  

Alles fing ganz klein an: Zwei Bräter, ein alter Dämpfer und eine Haushaltsküchenmaschine taten ihre Schuldigkeit. Auch sonst war alles schnell organisiert. Der Förderverein Pro Tem-pelberg e.V. hatte die Regie und die Verantwortung; die Mitglieder des Angelvereins und viele andere übernahmen freiwillig Aufgaben. Die Freiwillige Feuerwehr sicherte das Fest ab. Spiele und Wettkämpfe sorgten für Kurzweil. Wer es wollte, konnte sich mit einem Wintervorrat an Kartoffeln versorgen. Der „Kartoffeltanz“ bis spät in die Nacht bildete den Abschluss eines schönen Tages.

Mit dem ersten Kartoffelfest im Jahre 1999 feierten wir zugleich die begonnene Neugestaltung unseres Festplatzes. Unser erstes kleines Kartoffelfest hatte den gewünschten Zuspruch im Dorf.   –

 

Im Jahr 2018 haben wir ein Jubiläum feiern können: unser 20. Kartoffelfest! Das Kartoffelfest hat dem Dorffest im Sommer längst den Rang abgelaufen. Die Kartoffelfeste ziehen jährlich ein- bis zweitausend Besucher an, die um die 18 Zentner Kartoffeln in allen Varianten, über 100 Liter Apfelmus, Quark, Hering und mehr verspeisen. Es ist inzwischen auch eine technische und organisatorische Meisterleistung.  

Nach wie vor werden die Speisen von den Helfern frisch zubereitet und preisgünstig angeboten.

Platzgestaltung, Ausstattung und Programmablauf liegen in den Händen des Fördervereins Pro Tempelberg e.V., der auch das finanzielle Risiko der Veranstaltung trägt. Dem organisierenden Team ist es immer wieder gelungen, die Mitglieder des Fördervereins, des Angelsportvereins, der „Wild Boots“, der Freiwilligen Feuerwehr und viele andere Bürger zu mobilisieren.

Der Erfolg des Kartoffelfestes beruht nicht nur auf den wohlschmeckenden Kartoffelpuffern. Auch unser Bühnenprogramm, das jedes Jahr unter einem anderen Motto steht, wird weitgehend mit eigenen Kräften gestaltet. Wir lassen uns immer wieder etwas Neues einfallen. 2003 haben Marianne K. und Maria S. unser Kartoffellied vorgetragen, mit dem seither jedes Kartoffelfest eröffnet wird. Beim 13. Kartoffelfest haben wir unserem Wahrzeichen, einem hölzernen Tempelritter, den Namen „Tempelfried“ gegeben. Und beim 15. ist die neue Tempelberger Ortschronik präsentiert worden. So knüpfen wir auch bei der Programmgestaltung an unsere Geschichte und an ländliche Traditionen an.

Wir singen und spielen, tanzen und haben Spaß, den wir gern mit anderen teilen. In jeder Beziehung haben die Kartoffelfeste den dörflichen Rahmen schon seit langem gesprengt, denn der Kreis der Mitstreiter und Helfer geht dank moderner Kommunikationsmittel und gestiegener Mobilität weit über den Ort hinaus. Zur alljährlichen Tradition ist geworden, dass sich alle Beteiligten gegen 18.00 Uhr zum Abschlussfoto auf der Bühne einfinden. Dann stehen dort etwa 60 Personen. Tempelberg hat nur rd. 200 Einwohner.

 Im vergangenen Jahr hat unser Kartoffelfest pandemiebedingt ausfallen müssen. Wir haben die unfreiwillige Pause genutzt, um Ideen für das nächste Kartoffelfest zu entwickeln. Hoffen wir, dass uns die Lebensumstände erlauben, im September 2021 wieder ein Kartoffelfest zu feiern.


Christel Fielauf
Ortschronistin